Wir reden nicht von Biodiversität, wir leben sie....

Nach den beiden harten Winterfrösten von 85 und 87, welche viele der bestehenden Anlagen vernichteten, suchte man nach frostresistenteren Reben. So kam man dann  per Zufall auf die ersten PIWI-Rebsorten. Es wurden die Sorten Leon Millot, Marchal Foch, Baco noir und Triumpf v. Elsass gepflanzt. Sehr schnell erkannten wir auch die Vorteile im Pflanzenschutz (werden nur bei starkem Druck mit Backpulver gestärkt oder bei Befall von der KEF mit Kalk behandelt). Von da an waren die resistenten Sorten ein fester Bestandteil des Betriebs. Und unter anderem durch die Mitgliedschaft bei Vinatura ergaben sich Verknüpfungen zur Forschungsanstalt Wädenwil mit Dr. Basler, Dr. Boller und Ulrich Remund. Diese Kontakte führten damals auch dazu, dass Konrad Zimmermann im Jahre 1999 als Gründungsmitglied von PIWI-International in Einsiedeln von der ersten Stunde an dabei war. Inzwischen wurde weiter mit PIWI-Sorten experimentiert. Rund ums Haus gedeihen um die 30 verschiedene PIWI-Sorten (zur Beobachtung etc.). Inzwischen ist auf dem Chalmberger Weinbaubetrieb ca. 1 ha mit PIWI- Sorten bestockt.

Zur naturnahen Bewirtschaftung eines Betriebes gehört aber nicht nur die Wahl der Traubensorten, sondern die Einstellung zur Natur und der Umgang damit allgemein. Bis in die 70er Jahre war es in den Rebbergen gang und gäbe, sämtliche Unkräuter und Gräser sehr aufwändig und meist in mühsamer Handarbeit zu entfernen. Sie galten als Konkurrenz in Bezug auf den Wasserhaushalt und der brache Boden sollte den Pilzdruck mindern.

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Rebflächen unbegrünt früher / Dauerbegrünt heute

Trotz heftigem Gegenwind von Branchenkollegen setzte sich Konrad Zimmermann durch und baute über die Jahre eine Dauerbegrünung mit einer heute sehr hohen Artenvielfalt auf. Und zusätzlich wurde mit dieser Art der Begrünung der Humusgehalt innerhalb von einigen Jahrzehnten von 3,5 auf 6,5 erhöht. Es wird alles ausser den Trauben (Blätter, Holz, Unterwuchs) in den Reben gelassen. Das wirkt sich natürlich auch wieder auf das Wachstum der Reben aus. Es braucht nur noch sehr selten gezielte Düngergaben. Die Vielfalt der Flora ist inzwischen so gross, dass Parzellen als artenreicher Jurapark-Rebberg mit seltener Flora aufgeführt werden. Auf derselben Reblage wurden Versuche und Auszählungen in Zusammenarbeit mit dem FiBL gemacht (Ressourcenprojekt „Bienenfreundliche Landwirtschaft im Kanton Aargau“). Dabei fand man heraus, dass dank der vielfältigen Flora (hier wurden die meisten Kräuterarten gefunden) von den hiesigen 16 Wildbienenarten, welche vorwiegend im Boden nisten, deren 15 hier heimisch sind. Ein grossartiges Ergebnis.

Seit Januar 2024 ist Thomas Zimmermann, Sohn von Konrad, neuer Betriebsinhaber und Leiter des Chalmberger Weinbaus. Schon seit einigen Jahren ist er fester Bestandteil des Teams und kann immer wieder neue Ideen in den Betrieb einbringen. Mit einer abgeschlossenen Ausbildung EFZ als Mechaniker und Winzer, sowie einer erfolgreichen Weiterbildung als HF – Weinbautechniker ist er gewappnet für neue Abenteuer. Auch ihm liegt die Biodiversität des Betriebs am Herzen. So konnten im Jahr 2023 – 2024 im Zusammenhang mit dem Ressourcenprojekt Labiola viele Biodiversitätsförderungsmassnahmen geplant und umgesetzt werden. Dazu gehören knapp 90 Meter Trockensteinmauern, welche durch Crea Natira erneuert und aufgebaut wurden. Mit diesen starken Mauern wurden neue Lebensräume für viele kleine Reptilien wie z.B. Eidechsen oder viele verschiedene Arten von Wildbienen und Käfern geschaffen.

Einen ähnlichen Zweck wie die Mauern haben auch die Steinlinsen. An neun verschiedenen Orten auf dem Betrieb wurden bestehende vergrössert oder neu angelegt. Inmitten der grossen aneinander liegenden Grünflächen gibt es auch diese neuen Rückzugsorte für Reptilien und andere Kleintiere. Insgesamt wurden im Jahr 2023 so über 50m3 Steine bewegt und an ihren neuen Standort transportiert. Tiere wie kleine Wiesel erfreuen sich da eher an einem der mehreren grossen Asthaufen, um sich darin zu verkriechen und über den Winter einzunisten.

Durch die jahrelange bewusste Entwässerung der Rebhänge an der Südseite in Oberflachs wurden die Wasserquellen für Wildtiere immer knapper. An zwei dafür technisch wie auch biologisch gut geeigneten Standorten legte ich deshalb im Sommer 2023 zwei neue Weiher an und trotz des extrem trockenen Sommers füllten sie sich bereits.

Mit dem bewussten Anlegen und Pflegen von Wiesenblumenstreifen kann man auch für die kleinsten Nützlinge unserer Reben einen attraktiveren Lebensraum gestalten und so z.B. die sehr wichtige, aber sehr winzige Raubmilbe aktiv fördern. Seit der Begrünung der Reben unterstützen wir diese Kleinstlebewesen mit alternierender Bewirtschaftung, das heisst, eine Reihe wird gemäht und die nächste wird stehen gelassen. Wir setzen weder Insektizide noch Herbizide ein, sondern pflegen den Unterstockbereich mit Bürsten oder mähen sie. Ausserdem verzichten wir auf unserem Betrieb gänzlich auf den Einsatz von Kupfer.

Auch an die vielen einheimischen Vogelarten wurde gedacht. Nebst 10 Hochstammbäumen wurden über 60 verschiedene Rosen- und Dornengewächse an dafür bestens geeigneten Orten gepflanzt. Diese sind für viele kleine Vogelarten ein optimaler Rückzugsort. So konnten wir in den letzten Jahren ab und zu wieder den seltenen Wendehals beobachten.

Nebst dem Schwerpunkt Biodiversität und PIWI – Sorten, ist der Chalmberger Weinbaubetrieb auch einer der Pionierbetriebe im Kanton Aargau, der alle Flächen mit einer Drohne behandelt. Somit können bis zu 20 % der Pflanzenschutzmittel eingespart werden und zeitlich wie auch technisch deutlich genauer ausgebracht werden. Auch die fortschrittliche technische und moderne Bewirtschaftung der Rebflächen gehört zu einem Gesamtpaket von Massnahmen zur Förderung der Biodiversität.

Geniessen Sie mit uns die wunderschöne Natur und die Vielfalt des Lebens in den Weinbergen. Wir freuen uns, Euch unsere Philosophie und Freude an der Arbeit im Rebberg bei einer Tour durch die Landschaft näherzubringen.